Page 641 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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Reizen (Bert eis) kommen aber außer den Adaptationsveränderungen
die unter solchen Versuchsbedingungen besonders ausgedehnten posi-
tiven, sehr diffus ausstrahlenden Nachwirkungen an der gereizten
Stelle selbst in Betracht. Obwohl also jedenfalls zugestanden werden
muss, dass die Auffassung minimaler Reize, ebenso wie bei über-
merklichen Erregungen, zugleich psychischen Hemmungen von Seiten
der Umgebung unterliegt, die im Fall ihrer ausschheßlichen Wirkung,
auf eine Erhöhung der Schwelle hinwirkten, so sind sie eben zum
mindestens hier nicht selbständig zu erkennen. Die entsprechende
Variation der U.-E. unter solchen Bedingungen könnte also in relativer
Reinheit überhaupt nur bei der Messung von U.-Sch. übermerklicher
Reize in Helladaptation gefunden werden, bei denen das gleichzeitige
Auftreten einigermaßen entfernter Reize für die absoluten Intensitäten
ziemlich belanglos ist, und gerade hier scheint wenigstens die Ein-
deutigkeit des Resultates ganz zu fehlen. Betrachtet man aber nun
die allgemeineren Bedingungen in diesen bisherigen Versuchen im
Vergleich zu den Voraussetzungen, welche eine wirkhche größere
psychische Concurrenz und Hemmung nach den früheren Darlegungen
mit sich bringen können, so ist dieser Ausfall der vermeintlichen
Hemmungsversuche schließUch auch gar nicht zu verwundem.
Bei all diesen Versuchen wusste ja der Beobachter von
vorne herein, für welche Elemente des Bewusstseins die
U.-Empfindlichkeit festgestellt werden sollte. Ja, bei
mehreren Versuchen, insbesondere bei denjenigen von Heyman s,
war die willkürliche Aufmerksamkeit ausdrücklich auf die Stelle ge-
Aber auch, wo
spannt, an welcher der Minimah-eiz auftreten sollte.
eine geringere ausdrückliche Concentration auf den variirten Reiz
herrschte, bewirkte doch das sichere Wissen um die variirte
Stelle eine ganz unwillkürliche, triebartige Aufmerksam-
keit auf den kritischen Punkt. Mögen noch so viele sonstige
Störungsvorstellungen nebenhergehen, sie locken sozusagen die Auf-
merksamkeit nicht an, da man sicher weiß, da^s dort nichts für den
Versuch Wichtiges geschehen wird. Nun ist allerdings diese aus
irgend einem willensmäßigen oder triebartigen Interesse hervorgehende
wie schon öfters erwähnt und wie auch
Aufmerksamkeitsspannung,
nur eine specielle
Heymans gegen Sully richtig hervorhebt i) ,
1) Vgl. a. a. 0. S. 338.