Page 641 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
P. 641

Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
                                                                   629
      Reizen (Bert eis) kommen aber außer den Adaptationsveränderungen
      die unter solchen Versuchsbedingungen besonders ausgedehnten posi-
      tiven,  sehr  diffus  ausstrahlenden Nachwirkungen an  der  gereizten
      Stelle selbst in Betracht.  Obwohl also jedenfalls zugestanden werden
      muss, dass  die Auffassung minimaler Reize, ebenso wie bei über-
      merklichen Erregungen, zugleich psychischen Hemmungen von Seiten
      der Umgebung unterliegt, die im Fall ihrer ausschheßlichen Wirkung,
      auf eine Erhöhung der Schwelle hinwirkten,  so  sind  sie eben zum
      mindestens hier nicht selbständig zu erkennen.  Die entsprechende
      Variation der U.-E. unter solchen Bedingungen könnte also in relativer
      Reinheit überhaupt nur bei der Messung von U.-Sch. übermerklicher
      Reize in Helladaptation gefunden werden, bei denen das gleichzeitige
      Auftreten einigermaßen entfernter Reize für die absoluten Intensitäten
      ziemlich belanglos ist, und gerade hier scheint wenigstens  die Ein-
      deutigkeit des Resultates ganz zu fehlen.  Betrachtet man aber nun
      die allgemeineren Bedingungen  in  diesen bisherigen Versuchen im
      Vergleich  zu den Voraussetzungen,  welche  eine wirkhche größere
      psychische Concurrenz und Hemmung nach den früheren Darlegungen
      mit  sich bringen können,  so  ist  dieser Ausfall der vermeintlichen
      Hemmungsversuche schließUch auch gar nicht zu verwundem.
         Bei all diesen Versuchen wusste ja der Beobachter von
      vorne herein, für welche Elemente des Bewusstseins die
      U.-Empfindlichkeit      festgestellt werden    sollte.  Ja,  bei
      mehreren Versuchen,   insbesondere  bei denjenigen von Heyman s,
      war die willkürliche Aufmerksamkeit ausdrücklich auf die Stelle ge-
                                                        Aber auch, wo
      spannt, an welcher der Minimah-eiz auftreten sollte.
      eine geringere ausdrückliche Concentration  auf den  variirten Reiz
      herrschte, bewirkte doch das sichere Wissen um die variirte
      Stelle eine ganz unwillkürliche, triebartige Aufmerksam-
      keit auf den kritischen Punkt.       Mögen noch so viele sonstige
      Störungsvorstellungen nebenhergehen, sie locken sozusagen die Auf-
      merksamkeit nicht an, da man sicher weiß, da^s dort nichts für den
      Versuch Wichtiges geschehen wird.    Nun  ist allerdings  diese aus
      irgend einem willensmäßigen oder triebartigen Interesse hervorgehende
                                wie schon öfters erwähnt und wie auch
       Aufmerksamkeitsspannung,
                                                    nur eine   specielle
       Heymans gegen Sully      richtig hervorhebt i) ,
          1) Vgl.  a. a. 0. S. 338.
   636   637   638   639   640   641   642   643   644   645   646