Page 643 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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gleichmäßige Concurrenzbedingungen
einführt. Bei allen jenen
Versuchen aber war die Concurrenz gerade da, wo
ihr Erfolg ge-
messen werden sollte, durch
die unter solchen Bedingungen unwiU-
kürliche Concentration compensirt.
Allerdings sind diese Versuche
deshalb nicht werthlos.
Sie bestimmen aber nur eine einzige Be-
dingung innerhalb dieser Concurrenz, und zwar eben gerade die Con-
centration, welche der Hemmung entgegenwirkt, und welche
je
nach der Qualität des Concentrationsgegenstandes und des Störungs-
objects und vor allem je nach der Person und ihrer Gesammtvorstel-
lung verschieden sind. Solche Versuche sind daher nur als Messung
der Ablenkungsfähigkeit sinnvoll, als welche sie vonKraepelin
vorgeschlagen worden sind. Aus dieser Bedeutung erklärt sich auch
vor Allem die geringe Uebereinstimmung der Resultate bei den ver-
schiedenen Beobachtern. Sie beziehen sich aber nicht auf die psy-
chische Hemmung, so wie sie als die Concurrenzfähigkeit jedes ein-
zelnen, des Bewusstseins fähigen Elementes auf Grund der Begrenztheit
des Bewusstseinsumfanges besteht. Will man diese Letztere fest-
zustellen versuchen, dann muss zunächst einmal für ein und die näm-
liche Concurrenzlage die Concentration der Person mögHchst constant
erhalten werden, indem man nicht bald mit, bald ohne Störung
arbeitet, sondern einen bestimmten Complex vor sich hat, auf den
sich die Aufmerksamkeit im Ganzen immer gleichmäßig beziehen
muss. Es muss also diese willkürliche Aufmerksamkeit, welche bei
geübten und concentrationsfähigen Personen jederzeit sozusagen den
Haupttheil des gesammten Bewusstseins- und Klarheitsumfanges aus-
zufüllen berufen ist, gerade das gesammte Feld der Concurrenz
umfassen. Dann aber muss diese concentrirte Aufmerk-
samkeit als die Hauptbedingung für die vorhandene Klar-
heitsvertheilung selbst durch die im vorigen Capitel aus-
geführte Vorbereitung zertheilt werden. Und dies geschieht
eben nur dadurch, dass man vollständige Unwissentlichkeit
hinsichtlich derjenigen Stelle einführt, von welcher die Va-
riation stattfinden soll, bei gleichzeitiger Aufgabe, bei sämmthchen
Stellen für die Erkennung einer Variation einzustehen. Trotz dieser
Unzweckmäßigkeit der Versuchsanordnung für den eigenthch beab-
sichtigten Endzweck hegen aber bei all den hier erwähnten Arbeiten
doch wenigstens die theoretischen Ausgangspunkte ganz in. der