Page 648 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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636 Wilhelm Wirth.
eindeutig gekennzeichneten Vergleichsobjecten einen erhöhenden Ein-
fluss ausüben soll, was vorhin allerdings mit der theoretischen Be-
gründung meiner eigenen Versuche sehr verträgHch erschien, könnte
man ja doch auch von der unwissentlichen Variation innerhalb
einer größeren Anzahl von Elementen eine ähnliche Unabhängigkeit
der Unterschiedsschwelle von der in unserem Falle allerdings that-
sächlich wesentlich herabgesetzten Beachtung des einzelnen Elementes
erwarten. Denn obgleich für unsere Auffassung von der psycholo-
gischen Bedeutung der Unterschiedsschwelle eine derartige Skepsis
auch ohne besondere Vorversuche nicht mehr gerechtfertigt wäre, so
ist doch diese Anschauung noch keineswegs allgemein genug anerkannt
und muss die Methode für die Umfangsbestimmungen durch einfachere
Vorversuche auch unabhängig hiervon klar gemacht werden können,
so dass umgekehrt der oben vertretenen Anschauung über das Wesen
der Unterschiedsschwelle von dieser Seite sogar eine relativ selb-
ständige Bestätigung zu Theil werden könnte. Nun wäre jedenfalls
die Ableitung eines Schwellenwerthes für eine bestimmte Stelle inner-
halb des Urcomplexes von beliebigem Bewusstseinsgrade bereits ein
ziemhch complicirtes Experiment, da eben die ganze Umständlichkeit
psychophysischer Versuche sofort in mehrfacher Vergrößerung ein-
geführt würde. Offenbar ist aber wenigstens die Möghchkeit einer
Ableitung erhöhter >Schwellenwerthe« unter den angegebenen Um-
ständen, und damit die umfassendere Auswerthung des Bewusst-
seinsumfanges bei Herabsetzung der Ansprüche an die Unterschei-
dungsfähigkeit auch schon in der Weise darzuthun, dass man
umgekehrt eine bestimmte maximale Variation festsetzt und
nun prüft, in welchem Complex eine derartige unwissent-
lich angebrachte Veränderung eben noch erkannt wird,
bezw. ob überhaupt über eine bestimmte Anzahl von Einzel-
elementen hinaus dieser Variationsumfang in den relativ
weniger beachteten Elementen untermerklich bleibt. Ist
diese Variation bei wissentlichem Vollzug noch hinreichend deut-
lich, so ist dann auch noch die Erlangung hinreichend differenzirter
Klarheitswerthe garantirt. Die praktische Hauptschwierigkeit der viel-
fach abgestuften Variation fällt dann zunächst noch fort, und ist
nur auf eine entsprechende Gestaltung des Urcomplexes und der ein-
fachen Variation zu achten.