Page 645 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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     Variationen  stattfinden sollen , bestimmt im Wesentlichen diejenigen
     Regionen, innerhalb deren  die Concurrenzeinflüsse  eine hinreichende
     Differenzirung der Klarheit bewirken.
                                          Daher braucht man natürlich
     den annähernden Ausschluss eines nicht zu variirenden und deshalb
     nicht in die Concentration hereingenommenen Hintergrundes zwi-
     schen den Figuren nicht zu fürchten, wie er auch in dem eigenen Ver-
     suche (Cap. 6, 2 und Fig. 4) vorkam. Wenn nur die Art und Weise
     der Vertheilung der charakteristischen Einzelelemente auf dieser re-
     lativ zurücktretenden Fläche  eine annähernd gleichmäßige  ist, wird
     damit ein hinreichend constanter und nicht  allzu großer Betrag des
     gesammten ümfanges    vernachlässigt.  Der trennende Hintergrund
     unterstützt  insbesondere  die  relative Isolirung  der Einzelelemente
     und damit die Differenzirung des Aufmerksamkeitsreliefs, welche die
     gesuchten Unterschiede     der  Bewusstseinsgrade  leichter  finden
     lassen.  Mit  dieser Betonung der Unkenntnis s   des Beobachters
     hinsichtlich des Ortes der vorgenommenen Variation in Verbindung
     mit  einer  constanten Aufmerksamkeitsvertheilung und  mit Hervor-
     hebung der Nothwendigkeit des tachistoskopischen Verfahrens, sind
     die Bestimmungen des Bewusstseins- bezw. Aufmerksamkeitsumfanges
     zugleich hinreichend gegen die bekannten Untersuchungen
     über die Ausdehnung des Sehfeldes, bezw. über die pathologischen
     Einschränkungen des Gesichtsfeldes am Hell- oder Dunkel-
     perimeter abgegrenzt,  auf deren reiche Litteratur  in physiologisch-
     pathologischer, psychiatrischer und psychologischer Hinsicht ich hier
     ebenfalls nicht weiter eingehen  will.^)  Natürlich fallen  diese Ver-
     suche  als Schwellenbestimmungen mit und       ohne  gleichzeitige
     Störung  oder Zerstreuung  vollständig  unter  das  soeben  Gesagte.
     Soweit  sie nicht mit voller Unwissentlichkeit der eben behandelten
     Stelle erfolgen, wird auch bei ihnen die Concurrenz nicht nothwendig
     zur Geltung kommen,   soweit nicht  die störenden Nebenreize  that-
     sächlich im Sinne der oben erwähnten Zerstreuung die Concentration
     auf die eigentlich gestellte Aufgabe aufzuheben vermögen, was eben
     nur bei bestinmiter Ablenkbarkeit der Person der Fall  ist.  Anderer-


        1)  Vgl. vor allem  die ausgedehnte Verwendung  in  psychiatrisch -psycho-
     logischer Absicht von Sante de Sanctis.  Einen theüweisen Ueberblick über
     seine mehrfachen Arbeiten auf diesem Gebiete gibt er: Zeitschrift  f. Psychologie,
     Bd. XVn S. 205 £f.
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