Page 644 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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632                       Wilhelm Wirth.

        Richtung, welche schließlich zu einer Verwerthung der alten Psycho-
       physik zur Messung der allgemeinen Yorstellungsconcurrenz innerhalb
       des beschränkten Gesammtumfanges führen muss.      Mit  dieser Zu-
       spitzung  der Untersuchung über   einzelne Hemmungserscheinungen
       auch ohne Messung des ganzen ümfanges      ist aber natürlich nach
       allem  früher Gesagten nothwendig   der Uebergang zu einem mo-
       mentanen Auftreten aller entscheidenden Vorstellungen gefordert,
       für die optischen Versuche also speciell wieder die Anwendung des
       Tachistoskops. Denn nur dann ist wirkUch eine einzige Hemmungs-
       lage mit ihren quantitativen Verhältnissen herausgesondert.  Schon
       um dessentwillen ist abermals die Verwerthung von Reizschwellen als
       psychophysisches Maß   der  auf  eine  Stelle  des Bewusstseins  ver-
       wandten Aufmerksamkeit weniger     zu  empfehlen,  insofern  gerade
       Dunkeladaptation die Wirkungen momentaner Reize in die Länge zieht,
       wenngleich vor Ausführung solcher Versuche nicht    zu  entscheiden
       ist, inwieweit größere Kürze und Schwäche der Reize diesen Fehler
       zu compensiren vermögen.   Benützt man aber das Auftauchen von
       beliebig vertheilten Discontinuitäten  auf  einem  gleichmäßig  hellen
       Feld,  so kommt man wieder ganz von selbst zur Bestimmung von
       Unterschiedsschwellen.  Außerdem ist aber mit dieser Variation einer
       sonst völlig gleichwerthigen Fläche natürlich, wie schon Öfters erwähnt,
       immer auch nur eine einzige mehr oder weniger bestimmte »Form«
       unseres  Klarheitsreliefs untersucht,  falls wirklich keine besonderen
       Markirungen innerhalb   des Sehfeldes gegeben sind, da eben dann
       die Fläche rein  als gleichmäßig  erfüllte Ausdehnung die Aufmerk-
       samkeit absorbirt, wobei  allerdings  die Abhängigkeit vom Flächen-
       inhalt bereits interessant  ist, der wohl keineswegs einfach  als Pro-
       portionalität des concurrirenden Werthes zu der Flächenausdehnung
       erscheinen wird,  i)  Führt man aber irgend welche Markirung und cha-
       rakteristische Ausfüllung des Sehfeldes  ein, welche  sich etwa  auf
       einem gleichförmigen Hintergründe erhebt, so wird dadurch die voll-
       ständigste  »AbsorptionsWirkung« dann herbeigeführt werden, wenn
        sich die Unwissentlichkeit hinsichtlich des Ortes der Variation auch
        mit  auf  diese  erstreckt.  Kurz,  die  Erwartung,  wo  überhaupt


           1) Vgl. Th. Lippe, Die Quantität in psychischen Gesammtvorgängen,  a. a. 0.
        S. 416.
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