Page 649 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung,
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       2) Der verwendete ürcomplex und seine Variation. Wie
    schon erwähnt (S.589), wurde diese Frage zunächst mit einem tachisto-
    skopisch, also discontinuirHch dargebotenen Urcomplexe durch-
    geführt, welcher vorher beliebig lange bis zur sicheren Be-
    herrschung und möghchst constanten Aufmerksamkeitsvertheilung
    wiederholt werden konnte,  bis sich die variirte Yergleichsexpo-
    sition bei einer behebig auszuwählenden Exposition der fortlaufenden
    Reihe einschob. Hierauf brach dann je nachdem (vgl. 4, 13) der Versuch
    ab, oder es kehrte die alte Exposition fortgesetzt wieder, was nach den
    soeben citirten Darlegungen keinen erkennbaren Einfluss auf die Prä-
    cision ausübte. Der ürcomplex, welcher bei diesen ersten Versuchen
    benutzt wurde, ist auf Fig. 4 (Taf. 11) abgebildet. Auf einer Kai-te
    aus weißem Carton (10 x 11 cm) sind in der Mitte 25 einfache Figuren
    aufgedruckt, deren Umrisse sich in die Quadratfläche von je 5 X 5 nun
    einfügen, mit einem Abstand dieser Quadratflächen von  je 2 mm,
    wodurch  eine hinreichende gegenseitige Abhebung der Figuren  er-
    reicht  ist, wenn dieselben aus 40 cm Entfernung, also ungefähr nor-
    maler Sehweite  betrachtet werden.  Dabei hegen dann auch    alle
    Figuren,  bis höchstens auf  die vier äußersten Eckfiguren, noch in
    der Region des deuthchsten Sehens.   Selbstverständhch darf diese
    Lage für Bestimmungen des Bewusstseinsumfanges nach dieser
    Methode an und für sich nicht mehr allgemein für sämmtHche Einzel-
    elemente gefordert werden.  Bei Einführung größerer Differenzen der
    Lage im Sehfeld würde aber natürhch auch die Festhaltung ein und
     der nämlichen objectiven Variation für sämmthche Stellen des Com-

    plexes, wie  sie  in diesen Vorversuchen zunächst überall vorkommt,
     an den  verschiedenen Stellen  des Sehfeldes subjectiv  nicht  die
    gleiche Empfindungsvariation bedeuten.  Lifolge dieser Speciahsirung
     der Versuche, welche ja auch noch gar nicht auf die Ableitung eines
    möglichst umfassenden Ausdruckes für die gesammten augenbhck-
    hchen optischen Klarheitsverhältnisse ausgehen,  ist  also diese Ein-
     schränkung der verwendeten Figuren auf die Region des deuthchsten
                                Die Zusammenstellung der Figuren  ist
     Sehens ganz gerechtfertigt.
     nun möghchst so gewählt, dass, abgesehen von der Grundform der
                       die ja nicht variirt werden soU, keine auffälhgen
     Anordnung selbst,
     Beziehungen herausgefunden werden können, welche eine besonders
     abnorme Vertheüung, bezw. Einschränkung der Aufmerksamkeit mit
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