Page 700 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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ßgg Julius Zeitler.
dass er fast annehmbar wird, dass er mindestens als Ueberleitung zu
seinem eigenen gelten kann. Für den mystischen Charakter, den alle
Helden Carlyle's, Dichter, Staatsmänner, Reformatoren, Propheten,
an sich haben, ist er allerdings nicht blind; dennoch ist ihm der
Held »ein Inbegriff der Uebrigen. Er umfasst und repräsentirt die
Civihsation, die ihn umgibt; er hat eine originale Idee entdeckt, ver-
kündet oder ins Werk gesetzt, und seine Zeit ist ihm darin gefolgt.
Die Kenntniss eines heroischen G-efühles gibt insofern auch die
Kenntniss eines ganzen Zeitalters« (E. L. HI. S. 434). Durch dieSe
Methode, meint Taine, hat Carlyle den Weg der Biographie ver-
lassen und erkannt, »dass eine Civilisation, so weit und zertreut sie
auch durch Raum und Zeit sei, ein untheilbares Ganze bildet . . .
er hat den tiefen und fernen Zusammenhang der Dinge begriffen,
den Zusammenhang, der einen großen Mann mit seiner Zeit verknüpft,
denjenigen, der die Werke des vollendeten mit dem Lallen des
werdenden Denkens verknüpft« (a. a. 0.). Nicht ohne leisen Spott
fügt er freilich hinzu: »Diese ungestümen Divinationen und Be-
hauptungen ermangeln oft der Beweise« (E. L. HI. S. 401). So ist er
in letzter Linie doch für ihn »eine Art Mastodon«, ein »puritanischer
Seher«.
An Guizot, mit dem sich Taine auch einmal beschäftigt, rühmt
er »die Kunst, die Thatsachen zu gruppiren und aus ihnen die all-
gemeinen Ideen zu ziehen« (Ess. S. 21). Aber er ist ihm zu trocken.
»Er gibt sich nicht hin, er ist kein Künstler« (a. a. 0. S. 15). »Der
Historiker muss in sich fünf oder sechs Dichter einschließen« (S. 17).
Am höchsten schätzte er Macaulay. Er beschrieb ihn als den
Typus des journalistischen Historikers; er besaß die oratorischen Fähig-
keiten im höchsten Maße. Seine »Kunst, zu entwickeln, ist das
Talent des Advokaten und Redners, für alle Sachen zu plaidiren«
(E. L. ni. S. 362). Macaulay war Parlamentsmitglied und sprach so
gut, dass man ihm zuhörte, aus reiner Freude, ihn zu hören. Die
Gewohnheit von der Tribüne zu sprechen, war vielleicht die Ursache
dieser unvergleichlichen Klarheit. Und »um bei den Engländern in
die Geschichte einzutreten, braucht man bloß von der Kanzel und
dem Journale herabzusteigen«. In der That hatte Macaulay in
der Geschichte die Gewohnheiten bewahrt, die er in den Journalen
erworben hatte. Es zeichnet ihn aus, dass er fast immer als Zeit-